Brecheln

Hecheln und Brecheln waren wesentliche Werkzeuge bei der früheren Leinenerzeugung. Um das Leinen aus dem Flachs (linum usitatissimum) gewinnen zu können waren viele arbeitsintensive Schritte notwendig. Empfehlenswert zum Thema Flachs und Gemeiner Lein ist der entsprechende Wikipedia-Artikel Gemeiner Lein.

Die meisten Brechelhütten waren ursprünglich als Badstuben genützt. Sie gelten also als Vorläufer der heutigen Sauna, in der sich das Gesinde und manchmal auch die Herrschaft, zum geselligen Badevergnügen traf [1].

Ab dem 18. Jahrhundert wurden diese Gebäude nur mehr zum Dörren, Brecheln oder auch als Auszugsstube genutzt. Der Vorgang des Brechelns umfaßte das Rösten des Flachses sowie das Aufbrechen (“brecheln”) desselben. Diese harte Arbeit wurde von allerlei interessanten Bräuchen und Ritualen begleitet, die in die Erntezeit fallen und archaische Elemente aufweisen [2].

Der hier geschilderte Ablauf einer “Brechelhochzeit” dürfte Parallelen zu vorchristlichen Fruchtbarkeitsfesten aufweisen: Nach Beendigung der Arbeit wurden eine “Brechelbrautmutter” und ein “Brechelbrautritter” gekürt. Der Mann fordert die Herausgabe der “Brechelbraut”, einem reichlich mit Blumen und Zweiglein verzierten Reinling, nebst einer Flasche Met.

Das Brauchtum dieser besonderen “heiligen Brechelzeit” [3] variierte regional. Bemerkenswert ist der Umstand, dass diese Zeit als Ausnahmezeit galt, in der “der Herrgott ins Welschland” geht [4].

Als weiteres Beispiel sei erwähnt, dass mit vorbeigehenden Männern oft Schabernack getrieben wurde, indem sie mit “Agen”, der Flachsstreu eingerieben und aufs Kreuz gelegt wurden; und nur nach Zahlung entsprechenden Trinkgeldes wieder ihres Weges ziehen konnten. Diese Handlungen hatten auch eine erotische Komponente, sodass wir in den Geschlechtskontakten dieser besonderen Zeit wohl auch Reste magischer Vegetationsriten sehen dürfen. Vielleicht handelt es sich sogar um Spuren matriarchaler Privilegien, die für die Brechlerinnen während dieser Zeit galten.

Ein psychologisch interessanter Faktor sei noch erzählt: in Mittelkärnten bis nach Völkermarkt war ein Teil des Brauchtums auch mit dem “Schimmelreiter” verbunden- einer Analogie zum eingangs erwähnten “Brechelritter”. Dieser forderte die Brechelmutter zum verbalen Wettstreit heraus. In Form von Reimen wurde dem Gegenüber (und seiner Gruppe) auch so mancher unschöner Charakterzug an den Kopf geworfen – sehr zum Gaudium aller Anwesenden. Hier galt der Spruch:” Was das ganze Jahr verschwiegen bleibt, kummt auf in der heiligen Brechelzeit [5].”

Diese Kurzeinführung soll einen ersten Blick auf den Reichtum des Brechelwesens und seiner Riten sein. Die bewusste Erinnerung an solches Brauchtum ist leider schon vergessen, und nicht mehr mündlich zugänglich. Uns bleibt nur mehr die Schilderung der Volkskunde aus jener Zeit.

[1] Vgl. Moser, Oskar : Das Bauernhaus und seine landschaftliche und historische Entwicklung in Kärnten, Klagenfurt (1974) Nachdruck 1992, Hg. Geschichtsverein Kärnten, 140f.

[2] Vgl. Graber, Georg: Kärnten. Sitte und Brauch im Jahreslauf, Klagenfurt o.J. Kärntner Heimatverlag.

[3] Vgl. Graber, Georg: Volksleben in Kärnten, Graz 1941, Leykamverlag, 307.

[4] Ebda. 309.

[5] Ebda.315